04.06.2024 | News Risk & Analytics Know-how Letter
Bald drei Jahre sind vergangen, seitdem die EU-Kommission den ersten Entwurf der Überarbeitung von CRR und CRD („Basel 4“ Paket) veröffentlicht hat. Im Dezember 2023 hatten sich EU-Kommission, der Rat der EU und das Europäische Parlament am Ende des Trilogverfahrens dann auf eine finale Version von CRR III und CRD VI geeinigt. Diese Fassung wurde nun am 24. April 2024 vom EU Parlament verabschiedet. Die Novellierung der Eigenmittelverordnung beinhaltet teilweise wesentliche Veränderungen der Anforderungen an Banken und wird Einfluss auf den Kapitalbedarf wie auch auf ihre Geschäftstätigkeit haben. Dabei entscheidend: Am vorgesehenen Erstanwendungszeitpunkt 1. Januar 2025 wird festgehalten. Der Handlungsdruck für Institute bleibt somit hoch. Im Folgenden greifen wir eine für viele Institute sehr wichtige Forderungsklasse heraus und widmen uns den Neuerungen in Bezug auf die Eigenmittelanforderungen für durch Immobilien besicherte Risikopositionen im Standardansatz, bei der es auch zu besonders weitreichenden Neuerungen kommt.
Bislang wurde im Wesentlichen zwischen Wohn- und Gewerbeimmobilien unterschieden. Mit der CRR III hält eine erweiterte Immobilienklassifizierung Einzug. Zu diesem Zweck wurden auch neue Begriffsdefinitionen in Art. 4 aufgenommen. Unterschieden wird zukünftig zusätzlich zwischen IPRE (Income Producing Real Estate bzw. einkommengenerierende Immobilien) / Non-IPRE sowie ADC / Non-ADC, wobei ADC für „Land Acquisition, Development and Construction“ Exposures steht und eine gewisse Verwandtschaft zur „spekulativen Immobilienfinanzierung“ gemäß Art. 128 (2c) CRR II („Mit besonders hohem Risiko verbundene Positionen“) aufweist. Unter IPRE Exposure fallen Kredite, die durch Wohn- oder Gewerbeimmobilien besichert sind, bei denen die Kreditrückzahlung im Wesentlichen aus den Einnahmen aus der Immobilie selbst geleistet werden soll. Non-IPRE Exposure sind demgegenüber jegliche durch Wohn- oder Gewerbeimmobilien besicherte Kredite, die kein IPRE-Exposure sind. ADC bezieht sich im Wesentlichen auf Risikopositionen ggü. Unternehmen oder Zweckgesellschaften, die den Erwerb von Grundstücken für Erschließungs- und Bauzwecke oder die Erschließung und den Bau von Wohn- oder Gewerbeimmobilien finanzieren, und wird grundsätzlich mit einem besonders hohen Risikogewicht von 150% bewertet.1
Zur Bestimmung des Risikogewichts für die immobilienbesicherte Position sieht die CRR III zwei Verfahren vor, die vom BCBS als „Loan Splitting Approach“ und „Whole Loan Approach“ bezeichnet werden.² Prinzipiell ist das Splitting als Standardfall für Non-IPRE Exposure vorgesehen. (Im Wesentlichen sprechen wir hier von selbstgenutztem Wohneigentum.) Für IPRE ist im Regelfall das Whole Loan Verfahren zu verwenden (für Ausnahmen siehe Abschnitt Loan Splitting).
Grundsätzlich (Art. 124 (1)) erhalten Non-ADC Risikopositionen ein Risikogewicht
Sofern die Bedingungen von Art. 124 (3) erfüllt sind (siehe Abbildung 2), kommt eine risikosensitivere Behandlung, entweder mittels Loan Splitting oder mittels Whole Loan Verfahren in Betracht (dies gilt sowohl für Wohn- als auch Gewerbeimmobilien).
Eine deutliche Entlastung kann zukünftig daraus entstehen, dass das bisherige feste RW in Höhe von 35 % (Wohnobjekte) bzw. 50 % (Gewerbeobjekte) ersetzt wird durch einen risikosensitiven Ansatz. Hiermit erkennt der Gesetzgeber an, dass sich die bisherige Risikogewichtung insbesondere bei Finanzierungen mit sehr niedrigem Beleihungsauslauf als zu konservativ herausgestellt hat.3 Beim Splitting Verfahren wird nach wie vor zwischen Wohn- und Gewerbeimmobilien unterschieden. Bei Wohnimmobilien wird dem besicherten Teil des Exposures ein RW von 20 % zugewiesen, und zwar bis zu einer Obergrenze von 55 % des Immobilienwerts. Der unbesicherte Teil erhält das RW des Schuldners. Bei Gewerbeimmobilien wird dem besicherten Teil des Exposures ein RW von 60 % zugewiesen, ebenfalls bis zu einer Obergrenze von 55% des Immobilienwerts. Der unbesicherte Teil erhält wiederum das RW des Schuldners.
Um sich für Loan Splitting zu qualifizieren, muss Wohnimmobilienexposure (zusätzlich zu den Begünstigungsvoraussetzungen gemäß Abb. 2) entweder Non-IPRE sein oder IPRE und mindestens eine der folgenden Eigenschaften erfüllen (die EBA hat dies als „Hard Test“ bezeichnet):
Falls das Institut das erstrangige Pfandrecht an der Sicherheit nicht hält, wird von den 55 % des Immobilienwerts zunächst noch der Betrag abgezogen, der von höherrangigen Pfandrechten Dritter belegt ist.4
Eine Gewerbeimmobilie muss immer Non-IPRE sein, um für das Splitting Verfahren zu qualifizieren.
Das Loan Splitting Verfahren wollen wir anhand eines Beispiels illustrieren. Grundsätzlich bestimmen sich beim Splitting die risikogewichteten Aktiva (RWA) als Summe der RWA des besicherten und des unbesicherten Exposures:
(RWCpty steht hierbei für das Risikogewicht des Kreditnehmers, d. h. ohne Kreditrisikominderung.)
Hinweis: Ggf. sind zunächst jeweils vorrangige Pfandrechte vom Verkehrswert abzuziehen.
Eine Bank hat einem Privatkunden einen Wohnimmobilienkredit in Höhe von € 130.000 ausgereicht. Die zu finanzierende Immobilie hat einen Verkehrswert in Höhe von € 220.000 und ist Hauptwohnsitz des Kunden (generiert somit auch kein Einkommen). Es besteht bereits eine Grundschuld ersten Ranges zugunsten eines anderen Instituts über € 10.000. Die Bank wendet die Loan Splitting Methode an.
Beim Whole Loan Verfahren hingegen hängt das RW vom Beleihungsauslauf der Finanzierung ab, die CRR III spricht hier neu vom Exposure-to-Value (ETV) Ansatz (gegenüber der bisherigen Loan-To-Value Kennzahl). Zur Ermittlung des ETV wird das Exposure als Buchwert der Kreditforderung zuzüglich des noch nicht valutierten, zugesagten Betrags der immobilienbesicherten Position berechnet. Das „Whole Loan“ Verfahren wird mit RW zwischen 30% bis 105% in Abhängigkeit vom ETV angepasst. Die nachfolgenden Tabellen zeigen jeweils die Zuordnung der Risikogewichte in Abhängigkeit vom ETV-Wert in den zwei Kategorien Wohnimmobilien und Gewerbeimmobilien sowie die RW für ADC.
Auch hinsichtlich des Wertansatzes von Immobilien ändern sich die Bestimmungen (Art. 208, Art. 229) teilweise erheblich und hier kam es auch kurz vor Abschluss des Trilogs noch zu letzten Anpassungen ggü. dem Entwurf vom Sommer 2023. Immobilienbewertungen werden nach vier Anlässen unterschieden:
Bezüglich der Identifikation wertbestimmender Faktoren werden in der CRR III nun explizit Aspekte der „Nachhaltigkeit“ von Immobilien erwähnt, die im Einklang mit nationalen Gesetzen berücksichtigt werden können bzw. sollen.
Zukünftig kommt zudem ein Durchschnittswertdeckel zur Anwendung bei Neubewertungen ohne wesentliche Veränderungen. Dies soll zyklischen Effekten und Immobilienmarktüberhitzungen entgegenwirken. Hierbei sind die durchschnittlichen Immobilienwerte (wiederum Neubewertungen ohne wesentliche Veränderungen) der zurückliegenden sechs (Wohnimmobilien) bzw. acht (Gewerbeimmobilien) Jahre zu ermitteln und als Obergrenze anzusetzen, auch wenn ein „Marktwert“ eventuell höher liegt (obwohl es eben keine wesentliche Veränderung des Objekts gegeben hat). Hier wird in der Umsetzung und Interpretation sicherlich mit viel Diskussion in den Instituten zu rechnen sein.
Die o.g. Immobilienklassifizierung ist komplexer als bisher und beinhaltet zahlreiche neue Kriterien. In der Umsetzung wird dies für den Großteil der Institute mit Erfordernis der Bereitstellung neuer Informationen bzw. Datenfelder in ihrer RWA Architektur einhergehen. Teilweise sind dies womöglich sogar Informationen, die auch in den Vorsystemen heute noch nicht vorliegen.
In unseren CRR III Projekten waren dies beispielsweise folgende Informationen:
Mitunter wird es auch zu erheblichen prozessualen Anpassungen kommen müssen, so bspw. bezüglich der neuen Bewertungsvorgaben und der Erhebung der Datenpunkte zur Bestimmung der Durchschnittswerte.
Anhand des finalen CRR III Textes (der dem Final Draft von Dezember 2023 entspricht) sollte die Business Analyse, die in den meisten Häusern anhand der bisherigen Konsultationsstände bereits weit fortgeschritten sein dürfte, nochmal ergänzt bzw. überprüft werden.
EU Parlament | Verabschiedeter Text der Überarbeitung der CRR >>> |
Basel Committee on Banking Supervision | Basel Framework – CRE: Credit RWA Calculation (Tz. 20.63ff) |
European Parliament and Council | Verordnung (EU) Nr. 575/2013 („CRRII“, konsolidierte Version), Art. 124ff) |
European Banking Authority | Policy Advice on the Basel III Reforms: Credit Risk |
1 Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch hier eine Reduktion (auf 100%) möglich, die EBA wird lt. Art. 126a (2) mandatiert, hierzu entspr. Leitlinien
2 In den Artikeln der CRR finden sich diese Begriffe nicht.
3 Siehe hierzu auch die Empfehlungen der EBA zur Einführung des Loan Splittings: https://www.eba.europa.eu/sites/default/files/Policy%20Advice% 20on%20Basel%20III%20reforms%20-%20Credit%20Risk.pdf
4 Dies würde grundsätzlich den zwingenden Voraussetzungen gemäss Art. 124 Absatz 3b (vgl. Abb. 2) widersprechen, ist aber gleichzeitig in Art. 125 Absatz 1a, 2. Unterabsatz, explizit vorgesehen. Hier wird vor der Verabschiedung der CRR3 noch eine redaktionelle Anpassung erforderlich sein, um Eindeutigkeit herzustellen. Auch das Baseler Framework sieht im Origi nal vor, dass auch mit nachrangigem Pfandrecht besicherte Finanzierungen für das Splitting qualifizieren können.