18.08.2025 | News Asset Management & Buy-Side
Die USA, China, Indien und Kanada haben bereits einen verkürzten Abwicklungszyklus von Wertpapiertransaktionen eingeführt – in der Regel T+1, teilweise sogar T+0. T+1 bedeutet: Der finale Abschluss eines Handelsgeschäfts erfolgt zukünftig einen Geschäftstag nach dem Handelstag. In der EU gilt seit 2014 und durch die Verordnung (EU) 909/2014 (CSDR) ein Abwicklungszyklus von T+2. Von der Umstellung sind nicht nur Asset Manager oder Fondsgesellschaften betroffen, sondern alle am Wertpapierhandel beteiligten Unternehmen wie Zentralverwahrer, Broker, Verwahrstellen.
Im Februar 2025 hat die Europäische Kommission vorgeschlagen, auch in der EU auf T+1 umzustellen. Im Juni folgte die Veröffentlichung der offiziellen „Roadmap to T+1 Securities Settlement in the EU“ vom EU T+1 Industry Committee. Ziel ist eine Umsetzung bis zum 11. Oktober 2027. Damit sollen die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der EU-Kapitalmärkte gestärkt sowie die Spar- und Investitionsunion weiter vorangetrieben werden.
Die Umstellung betrifft vor allem Transaktionen auf dem Sekundärmarkt – also börsengehandelte Wertpapiere – und nicht den Primärmarkt oder außerbörsliche Geschäfte. In diesem Artikel erfahren Sie, welche Vorteile T+1 bringt und wie Sie Ihr Unternehmen Schritt für Schritt darauf vorbereiten können.

Im aktuellen T+2-Modell liegen bis zu zwei Banktage zwischen Handel und Abwicklung. In dieser Zeit besteht für die Transaktionsparteien das Kontrahentenrisiko. Außerdem ist das Kapital in der Zwischenzeit gebunden und kann nicht anderweitig eingesetzt werden. Eine beschleunigte Abwicklung reduziert diese Risiken und senkt Kosten – unter anderem, weil weniger Kapital bei zentralen Gegenparteien hinterlegt werden muss und geringere Margen verlangt werden.
In der Vorbereitung der Änderung ist es wichtig, die derzeitige Geschäftspraxis vollumfänglich zu verstehen und zu analysieren. Der Aufbau einer interdisziplinären, internen T+1-Task-Force könnte sinnvoll sein. Fragen Sie sich im Zuge einer qualitativen Gap Analyse:
Eine strukturierte Analyse hilft, Schwachstellen zu identifizieren und gezielt zu adressieren.
| Hinweis: Die T+1-Umstellung setzt voraus, dass bei Neukunden alle Vorarbeiten – inklusive KYC (Know Your Customer) und Onboarding – vor dem Handelstag (T) bereits abgeschlossen sind. |
Nachdem in Schritt 1 der Status Quo erfasst wurde, folgt in Schritt 2 die zukunftsgerichtete Vorbereitung der Umstellung.
Die Roadmap definiert einheitliche „Gating Events“ am Handelstag mit konkreten Uhrzeiten, die als Grundlage für die Umstellungsplanung dienen sollten:

Es sollten Antworten auf folgende Fragen gefunden werden:
In der Roadmap wurde der 11. Oktober 2027 als optimaler Zeitpunkt für die Umstellung auf T+1 festgelegt. Dieser Termin berücksichtigt technische, regulatorische und saisonale Aspekte. Das T+1 Industry Committee koordiniert eine zeitgliche Umstellung in der EU, im Vereinigten Königreich sowie der Schweiz.
| Info: TARGET2-Securities ist eine EU-weit einheitliche technische Plattform für die zentrale Abwicklung von Wertpapieren. Mit Stand März 2025 sind 24 Zentralverwahrer aus 23 Staaten an T2S angebunden. Im Jahr 2023 wurden über die Plattform 176 Millionen Transaktionen im Wert von knapp 200€ Billionen abgewickelt. Dennoch handelt es sich hierbei meist um Geschäfte innerhalb einzelner Zentralverwahrer. Ein Großteil der grenzüberschreitenden Wertpapierabwicklung erfolgt immer noch über Depotbanken. Die Plattform bietet bereits heute die technischen und operativen Kapazitäten, eine schnellere Abwicklung als T+2 zu ermöglichen. |
Ein entscheidender Faktor bei der Umstellung auf T+1 ist Automatisierung. Da sich die Abwicklungszeit um ca. 80% verkürzt, müssen Prozesse wie Abgleich und Bestätigung bereits am Handelstag erfolgen. Automatisierungstechnologien wie Robotic Process Automation (RPA) und künstliche Intelligenz (KI) können helfen, die Effizienz zu steigern und menschliche Fehler zu minimieren. Die Schwerpunkte sollten hier vor allem auf dem Abgleich und der Bestätigung von Geschäften, der Übermittlung von Abwicklungsanweisungen und Echtzeitverarbeitung liegen. Gegebenenfalls ist eine Schulung oder Weiterbildung der Mitarbeitenden erforderlich, um die neuen Prozesse zu unterstützen.
Nach erfolgreicher Umstellung ist Folgendes zu überwachen: Kam es zu Settlement-Fails? Gab es Liquiditätsengpässe? Bei welchen Teilprozessen kam es zu Abweichungen?
Bei der Überwachung können Datenanalyse-Tools hilfreich sein. Anomalien sollten sorgfältig analysiert werden und gegebenenfalls zum Anlass genommen werden, Prozesse gezielt anzupassen und zu verbessern. Auch regelmäßiges Feedback von Mitarbeitenden und Kunden ist essenziell. Zur kontinuierlichen Überwachung und Optimierung können zudem interne Audits oder externe Benchmarks herangezogen werden.
Auch ein kürzerer Abwicklungszyklus von T+0 wurde von dem EU T+1 Industry Committee untersucht. Wenngleich er technologisch bereits jetzt möglich wäre, würden die Marktteilnehmer dadurch vor noch größere Herausforderungen gestellt werden. Eine schrittweise Umstellung auf T+0 wird weiterhin geprüft und ist zukünftig nicht ausgeschlossen. Wir empfehlen: Wer heute für T+1 plant, sollte T+0 bereits mitdenken – etwa bei der Systemarchitektur oder der Prozessgestaltung. So lassen sich spätere Umstellungen effizienter und kostengünstiger realisieren.
Beachten Sie außerdem: Die Empfehlungen der EU T+1-Roadmap sind zwar nicht gesetzlich verpflichtend, dennoch gilt das Prinzip „Adhere or Explain“: Wer sich nicht daran hält, sollte dies offenlegen und begründen. Nach den Angaben der ESMA können Ausnahmen gelten – etwa für nicht standardisierte Produkte, Investmentfonds (AIFs/UCITS) und OTC-Produkte, oder Märkte mit besonderen Strukturen oder wenn technische bzw. regulatorische Gründe eine Umsetzung verhindern. Neben dem zusätzlichen Erklärungsaufwand kann eine Abweichung auch zu Reputationsrisiken führen, etwa wenn Geschäftspartner oder Aufsichtsbehörden Fragen stellen. Wer sich frühzeitig einbringt und transparent agiert, stärkt nicht nur das Vertrauen, sondern auch die eigene Position im Markt.
Die Umstellung auf den T+1-Abwicklungszyklus ist in der EU unumgänglich und bietet einige Vorteile. Risiken und Kosten werden reduziert, die Marktliquidität erhöht. Durch frühzeitige und sorgfältige Planung, Implementierung und kontinuierliche Optimierung können Sie von den Vorteilen profitieren.
High-Level Roadmap To T+1 Securites Settlement In The EU - 30 June 2025
https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/2025-06/High-level_Roadmap_to_T_1_Securities_Settlement_in_the_EU.pdf