25.03.2025 | News Know-how Letter
Mit der Richtlinie EU 2024/9271 wird eine Reihe von Liquiditätsmanagement- Instrumenten (eng. Liquidity Management Tools, kurz LMT) eingeführt. Die Umsetzung der Richtlinie ist für die Mitgliedsstaaten verpflichtend und bis zum 16. April 2026 durchzuführen. Mit Stand vom 25. September 2024 wurde unter dem Namen Fondsmarktstärkungsgesetz ein Regierungsentwurf des Deutschen Bundesministeriums der Finanzen zur Überführung in nationales Recht veröffentlicht. Durch die vorgezogenen Bundestagswahlen hat sich die Verabschiedung des Gesetzes allerdings auf unbestimmte Zeit verschoben. In Österreich wurde noch kein Umsetzungsentwurf öffentlich zur Diskussion gestellt.
In diesem Artikel möchten wir Ihnen diese Instrumente vorstellen und die Auswirkungen auf die betroffenen Finanzakteure thematisieren. Auch wenn der Gesetzgeber noch keine verbindlichen Rahmenbedingungen erlassen hat, ist es für die betroffenen Finanzinstitute ratsam, sich bereits jetzt mit den Auswirkungen der Richtlinie in Hinblick auf die LMT zu beschäftigen:
Gemäß Anhang II & IIA der Richtline können neun unterschiedliche Liquiditätsmanagement-Instrumente aktiviert oder deaktiviert werden.
Die Liquiditätsmanagement-Instrumente lassen sich in zwei Kategorien unterteilen und sollen im Folgenden kurz erklärt sowie jeweils mit einem Beispiel illustriert werden.
Rücknahmebeschränkung: Eine teilweise Beschränkung des Rechts der Anteilsinhaber auf Rückgabe ihrer Anteile durch Festlegung einer Rücknahmequote.
Order | Verkauf | ![]() | Tag | Order | Ausgeführt | Rest |
---|---|---|---|---|---|---|
Anteile | 100 | ![]() | 1 | 100 | 70 | 30 |
Quote | 70 % | ![]() | ↓ | — | ⌋ | |
![]() | 2 | 30 | 21 | 9 |
Verlängerung der Rückgabefrist: Ein Anteilsinhaber, der Anteile zurückgeben will, muss eine über die etwaige Mindestfrist hinausgehende Anzahl an Tagen warten, bevor seine Order ausgeführt wird und er den Rücknahmepreis ausgezahlt bekommt.
Order | Verkauf |
---|---|
Mindestfrist | 2 Tage |
Fristverlängerung | +4 Tage |
Mo | Di | Mi | Do | Fr | Mo | Di | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Ohne Verlängerung | Ordereingang | → | Ausführung | ||||
Mit Verlängerung | Ordereingang | — | — | — | — | → | Ausführung |
Sachauskehr: Will ein Anleger Anteile zurückgeben, so werden ihm vom Fonds gehaltene Vermögenswerte anstelle von Geld übertragen. Dies ist jedoch nur dann erlaubt, wenn es sich bei dem Investor um einen professionellen Anleger handelt.
Ausgangssituation
Aktienfonds F | Anleger A | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Aktien | 90 | Einlagen | 100 | Anteile F | 20 | Einlagen | 100 | |
Liquide Mittel | 10 | Anleger A | 20 | |||||
davon andere | 80 |
Normale Rückgabe: Fonds verkauft Vermögensgegenstände und schüttet Liquidität aus
Aktienfonds F | Anleger A | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Aktien | 80 | Einlagen | 80 | Liquide Mittel | 20 | |||
Liquide Mittel | 0 | davon andere | 80 | |||||
Sachauskehr: Fonds schüttet Vermögensgegenstände direkt aus
Aktienfonds F | Anleger A | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Aktien | 72 | Einlagen | 80 | Aktien | 18 | |||
Liquide Mittel | 8 | davon andere | 80 | Liquide Mittel | 2 | |||
Swing Pricing: Je nachdem, ob es mehr Mittelzuflüsse oder -abflüsse durch Zeichnungen bzw. Rückgaben gibt, wird der Nettoinventarwert (Net Asset Value; NAV) des Fonds mithilfe eines sogenannten Swing-Faktors in die eine oder die andere Richtung angepasst, um die Liquiditätskosten zu berücksichtigen.
Viele Zeichnungen, Anpassung nach oben | Viele Rückgaben, Anpassung nach unten | |
---|---|---|
NAV gemäß Bewertung | 100,00 € | 100,00 € |
Swing-Faktor (0,5%) 0,50 | 0,50 € | 0,50 € |
Auf-/Abgeschwungener NAV | 100,50 € | 99,50 € |
Dual Pricing: Bei Anwendung dieser Maßnahme wird nicht mehr nur ein einzelner NAV berechnet und veröffentlicht, sondern zwei verschiedene, deren Unterschied die Transaktionskosten widerspiegeln und abdecken soll. Dabei können die beiden Nettoinventarwerte entweder direkt bewertet werden, z. B. wenn die meisten Vermögensgegenstände des Fonds mit Geld-Brief-Spanne gehandelt werden, oder durch die Anwendung eines dynamischen Faktors berechnet werden.
Faktormethode | Bewertungsmethode | |||
---|---|---|---|---|
NAV gemäß Bewertung | 100,00 € | NAV (Geld) gemäß Bewertung | 99,00 € | |
Faktor (1%) | 1,00 € | NAV (Brief) gemäß Bewertung | 101,00 € | |
Angepasster NAV (Geld) | 99,00 € | |||
Angepasster NAV (Brief) | 101,00 € |
Verwässerungsschutzgebühr: Diese Gebühr wird sowohl bei Zeichnung als auch bei Rücknahme von Fondsanteilen für den Anleger fällig und soll die bereits investierten bzw. verbleibenden Anleger vor Transaktionskosten schützen. Die Einnahmen fließen in das Fondsvermögen.
Kauforder | 10 Anteile | Verkaufsorder | 10 Anteile | |
Ausgabepreis | 100,00 € | Rücknahmepreis | 100,00 € | |
Gebühr | 1,00 € | Gebühr | 1,00 € | |
Kunde zahlt | 1.010,00 € | Kunde erhält | 990,00 € |
Rückgabegebühr: Im Gegensatz zur Verwässerungsschutzgebühr wird diese Gebühr nur bei der Rückgabe von Anteilen fällig. Außerdem dient sie in erster Linie zur Steuerung des Rückgabeverhaltens und die Einnahmen können sowohl in das Fondsvermögen fließen als auch für die Verwaltung verwendet werden.
Verkaufsorder | 10 Anteile |
Rücknahmepreis | 100,00 € |
Gebühr | 1,00 € |
Kunde erhält | 990,00 € |
Abspaltung illiquider Anlagen (Side Pockets): Illiquide Vermögenswerte werden vom restlichen Fondsvermögen abgetrennt, um Bewertung und Fondsbetrieb weiterhin zu ermöglichen.
Ausgangssituation
Fonds F | Anleger A | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Liquide Assets | 90 | Einlagen | 100 | Anteile F | 70 | |||
Liquide Mittel | 10 | davon Anleger A | 20 | |||||
davon andere | 80 | |||||||
Anleger B | ||||||||
Anteile F | 30 | |||||||
Abspaltung der Illiquiden Assets
Fonds F | Anleger A | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Liquide Assets | 80 | Einlagen | 80 | Anteile F | 56 | |||
davon A | 56 | Anteile S | 14 | |||||
davon B | 24 |
Side Pocket S | Anleger B | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Illiquide Assets | 20 | Einlagen | 20 | Anteile F | 24 | |||
davon A | 14 | Anteile S | 6 | |||||
davon B | 6 |
Aussetzung von Zeichnungen, Rückkäufen und Rücknahmen: Im Gegensatz zur Fristverlängerung werden Orders nicht nur aufgeschoben, sondern den Anlegern die Zeichnung oder Rückgabe von Anteilen vorrübergehend komplett untersagt.
Haben die Fondsgesellschaften nun die freie Auswahl zwischen allen beschriebenen Instrumenten? Nicht ganz. Zum einen bestehen gewisse Beschränkungen, was die Auswahl betrifft. Zum anderen hat die ESMA eine Liste mit Empfehlungen herausgegeben, welche Instrumente sie für welche Art von Fonds für geeignet hält. Die Kapitalverwaltungsgesellschaften werden sich – nicht zuletzt mit Blick auf die Prüfung – genau überlegen müssen, ob und wenn ja, mit welcher Begründung sie von diesen Empfehlungen abweichen wollen.
Unmittelbar betroffen von der neuen Richtlinie sind die Kapitalverwaltungsgesellschaften mit ihrer Pflicht zur Auswahl von LMT-Maßnahmen und deren Aufnahme in die Prospekte. Außerdem müssen Schwellenwertsysteme konzipiert werden, die die Auslösung von Maßnahmen steuern und diese an Liquiditätskennzahlen bindet. Schließlich müssen externe Schnittstellen angepasst werden, um aktivierte Maßnahmen zu kommunizieren.
Daraus ergibt sich Handlungsbedarf für die Asset Manager der Fonds, die ihr Liquiditätsmanagement überdenken müssen: Sollen LMT gezielt eingesetzt werden, um Liquidität zu steuern, oder sollen sie, nicht zuletzt mit Blick auf die möglicherweise äußerst negative Außenwirkung auf den Vertrieb, aktiv vermieden werden?
Den Anbietern von Fonds gegenüber stehen Investoren, die die Situation aus einem anderen Blickwinkel analysieren müssen: Wollen sie Geld in Fonds investieren, so müssen sie nun bereits bei der Auswahl passender Fonds berücksichtigen, was deren jeweilige LMT-Maßnahmen für den Kauf und insbesondere für die Rückgabe von Anteilen bedeuten. Risikomanagement und Prozesse müssen entsprechend angepasst werden, um zusätzliche Liquiditätsrisiken zu vermeiden.
Bei Banken und anderen Vertriebspartnern muss neben kleineren Anpassungen der Front-End-Systeme vor allem geklärt werden, wie mit dem Thema LMT in der Beratung umgegangen und im Fall der Auslösung kommuniziert werden soll, um Reputationsschäden und Mittelabflüsse zu vermeiden.
Wurde eine Anlageentscheidung getroffen und erreicht eine Depotbank eine entsprechende Order, muss hier zunächst das Order-Management-System in der Lage sein, auf aktive LMT, z.B. Verwässerungsschutzgebühren, zu prüfen. In der Folge müssen Gebühren auch für die Berechnung von Anschaffungskosten, Steuern, etc. sowie in der Buchhaltung korrekt berücksichtigt werden. Gleiches gilt für Rückgabeorders, wobei hier zusätzlich Quoten und die resultierenden Restorders sowie Fristverlängerungen verarbeitet werden müssen.
Falls die Systeme zur Verarbeitung in der Lage sind, müssen darüber hinaus – wie auch bei den Kapitalverwaltungsgesellschaften – Schnittstellen angepasst werden, um die entsprechenden Daten zu empfangen.
Da in der Regel unterschiedliche Fonds in den Depots gehalten werden, müssen auch alle potenziell möglichen Liquiditätsmanagement- Instrumente technisch abgedeckt werden.
Der konkrete Anpassungsbedarf durch die Gesetzesänderung wird sich von Fall zu Fall unterscheiden, etwa durch Besonderheiten der Systemlandschaften und Prozesse, sowie detaillierte Analysen erfordern. Jedoch dürften die Schwierigkeiten, die sich im Rahmen eines Anpassungsprojektes ergeben, jeweils ähnlicher Natur sein.
Ein genauer Umsetzungszeitpunkt in nationales Recht ist sowohl für Deutschland als auch Österreich aktuell nicht absehbar. Marktstandards müssen sich erst etablieren, was First-Movern die Chance bietet, eine aktive Gestaltungsrolle einzunehmen. Spätestens am 16. April 2025 werden die Liquiditätsmanagement-Instrumente, für OGAW und AIF, zu Werkzeugen innerhalb des Investmentfondsuniversums.
Wir bei Nagler & Company arbeiten seit Jahren für Banken, Versicherungen und Kapitalverwaltungsgesellschaften. Unsere Projekterfahrung reicht von der Implementierung regulatorischer Vorschriften über die Optimierung von Datenbanken und Schnittstellen bis hin zur Prozessgestaltung sowie der fachlichen Unterstützung im Bereich des Meldewesens. Aktuell dürfen wir bereits einen Kunden bei der Implementierung von Liquiditätsmanagement-Instrumenten begleiten. Wenn wir Sie bei weiteren Fragen zu diesem oder verwandten Themen unterstützen dürfen, freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme.
Gerne laden wir Sie zu unserem LMT-Online-Event am 10. April 2025 ein. Wir möchten Ihnen dort zunächst einen Überblick über den aktuellen Stand geben, um anschließend in eine offene Diskussion überzugehen.
10. April 2025, 16:00 Uhr
1https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX:32024L0927
2Sowohl OGAW-Verwaltungsgesellschaften als auch AIFM.