Liquiditätsmanagement-Instrumente für Fonds

25.03.2025 | News Know-how Letter

von Alexander Klug und Stefan Ihmenkamp

1. Einleitung

Mit der Richtlinie EU 2024/9271 wird eine Reihe von Liquiditätsmanagement- Instrumenten (eng. Liquidity Management Tools, kurz LMT) eingeführt. Die Umsetzung der Richtlinie ist für die Mitgliedsstaaten verpflichtend und bis zum 16. April 2026 durchzuführen. Mit Stand vom 25. September 2024 wurde unter dem Namen Fondsmarktstärkungsgesetz ein Regierungsentwurf des Deutschen Bundesministeriums der Finanzen zur Überführung in nationales Recht veröffentlicht. Durch die vorgezogenen Bundestagswahlen hat sich die Verabschiedung des Gesetzes allerdings auf unbestimmte Zeit verschoben. In Österreich wurde noch kein Umsetzungsentwurf öffentlich zur Diskussion gestellt.

In diesem Artikel möchten wir Ihnen diese Instrumente vorstellen und die Auswirkungen auf die betroffenen Finanzakteure thematisieren. Auch wenn der Gesetzgeber noch keine verbindlichen Rahmenbedingungen erlassen hat, ist es für die betroffenen Finanzinstitute ratsam, sich bereits jetzt mit den Auswirkungen der Richtlinie in Hinblick auf die LMT zu beschäftigen:

  • Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVG)2 sind dazu angehalten, mindestens zwei LMT pro Sondervermögen auszuwählen und in die Fondsbedingungen des Prospektes aufzunehmen. Geldmarktfonds wird eine Ausnahme in der Richtlinie zugestanden. Entsprechend zugelassene OGAW oder AIF können sich auf die Auswahl nur eines LMTs beschränken.
  • Depotführende Banken werden vor die Aufgabe gestellt, die unterschiedlichen LMT-Maßnahmen in ihren Systemen abzubilden. Lücken in der Umsetzung könnten dazu führen, dass Produkte zweitweise nicht verwahrfähig sind.

Gemäß Anhang II & IIA der Richtline können neun unterschiedliche Liquiditätsmanagement-Instrumente aktiviert oder deaktiviert werden.

2. Übersicht Liquiditätsmanagement-Instrumente

Die Liquiditätsmanagement-Instrumente lassen sich in zwei Kategorien unterteilen und sollen im Folgenden kurz erklärt sowie jeweils mit einem Beispiel illustriert werden.

Mechanismen zur Begrenzung oder Verzögerung der Rückgaben


Rücknahmebeschränkung: Eine teilweise Beschränkung des Rechts der Anteilsinhaber auf Rückgabe ihrer Anteile durch Festlegung einer Rücknahmequote.

OrderVerkaufTagOrderAusgeführtRest
Anteile10011007030
Quote70 % 
  230219

Verlängerung der Rückgabefrist: Ein Anteilsinhaber, der Anteile zurückgeben will, muss eine über die etwaige Mindestfrist hinausgehende Anzahl an Tagen warten, bevor seine Order ausgeführt wird und er den Rücknahmepreis ausgezahlt bekommt.

OrderVerkauf
Mindestfrist2 Tage
Fristverlängerung+4 Tage
 MoDiMiDoFrMoDi
Ohne VerlängerungOrdereingangAusführung    
Mit VerlängerungOrdereingangAusführung

Sachauskehr: Will ein Anleger Anteile zurückgeben, so werden ihm vom Fonds gehaltene Vermögenswerte anstelle von Geld übertragen. Dies ist jedoch nur dann erlaubt, wenn es sich bei dem Investor um einen professionellen Anleger handelt.


Ausgangssituation

Aktienfonds F Anleger A
Aktien90Einlagen100 Anteile F20Einlagen100
Liquide Mittel10   Anleger A20     
     davon andere80     

Normale Rückgabe: Fonds verkauft Vermögensgegenstände und schüttet Liquidität aus

Aktienfonds F Anleger A
Aktien80Einlagen80 Liquide Mittel20  
Liquide Mittel0   davon andere80     
         

Sachauskehr: Fonds schüttet Vermögensgegenstände direkt aus

Aktienfonds F Anleger A
Aktien72Einlagen80 Aktien18  
Liquide Mittel8   davon andere80 Liquide Mittel2  
         

Mechanismen zur Kostenanpassung und fairen Preisbildung


Swing Pricing: Je nachdem, ob es mehr Mittelzuflüsse oder -abflüsse durch Zeichnungen bzw. Rückgaben gibt, wird der Nettoinventarwert (Net Asset Value; NAV) des Fonds mithilfe eines sogenannten Swing-Faktors in die eine oder die andere Richtung angepasst, um die Liquiditätskosten zu berücksichtigen.

 Viele Zeichnungen,
Anpassung nach oben
Viele Rückgaben,
Anpassung nach unten
NAV gemäß Bewertung100,00 €100,00 €
Swing-Faktor (0,5%) 0,500,50 €0,50 €
Auf-/Abgeschwungener NAV100,50 €99,50 €

Dual Pricing: Bei Anwendung dieser Maßnahme wird nicht mehr nur ein einzelner NAV berechnet und veröffentlicht, sondern zwei verschiedene, deren Unterschied die Transaktionskosten widerspiegeln und abdecken soll. Dabei können die beiden Nettoinventarwerte entweder direkt bewertet werden, z. B. wenn die meisten Vermögensgegenstände des Fonds mit Geld-Brief-Spanne gehandelt werden, oder durch die Anwendung eines dynamischen Faktors berechnet werden.

Faktormethode Bewertungsmethode
NAV gemäß Bewertung100,00 € NAV (Geld) gemäß Bewertung99,00 €
Faktor (1%)1,00 € NAV (Brief) gemäß Bewertung101,00 €
Angepasster NAV (Geld)99,00 €   
Angepasster NAV (Brief)101,00 €   

Verwässerungsschutzgebühr: Diese Gebühr wird sowohl bei Zeichnung als auch bei Rücknahme von Fondsanteilen für den Anleger fällig und soll die bereits investierten bzw. verbleibenden Anleger vor Transaktionskosten schützen. Die Einnahmen fließen in das Fondsvermögen.

Kauforder10 Anteile Verkaufsorder10 Anteile
Ausgabepreis100,00 € Rücknahmepreis100,00 €
Gebühr1,00 € Gebühr1,00 €
Kunde zahlt1.010,00 € Kunde erhält990,00 €

Rückgabegebühr: Im Gegensatz zur Verwässerungsschutzgebühr wird diese Gebühr nur bei der Rückgabe von Anteilen fällig. Außerdem dient sie in erster Linie zur Steuerung des Rückgabeverhaltens und die Einnahmen können sowohl in das Fondsvermögen fließen als auch für die Verwaltung verwendet werden.

Verkaufsorder10 Anteile
Rücknahmepreis100,00 €
Gebühr1,00 €
Kunde erhält990,00 €

Weitere Maßnahmen


Abspaltung illiquider Anlagen (Side Pockets): Illiquide Vermögenswerte werden vom restlichen Fondsvermögen abgetrennt, um Bewertung und Fondsbetrieb weiterhin zu ermöglichen.


Ausgangssituation

Fonds F Anleger A
Liquide Assets90Einlagen100 Anteile F70  
Liquide Mittel10   davon Anleger A20     
     davon andere80     
 Anleger B
     Anteile F30  
         

Abspaltung der Illiquiden Assets

Fonds F Anleger A
Liquide Assets80Einlagen80 Anteile F56  
     davon A56 Anteile S14  
     davon B24     
Side Pocket S Anleger B
Illiquide Assets20Einlagen20 Anteile F24  
     davon A14 Anteile S6  
     davon B6     

Aussetzung von Zeichnungen, Rückkäufen und Rücknahmen: Im Gegensatz zur Fristverlängerung werden Orders nicht nur aufgeschoben, sondern den Anlegern die Zeichnung oder Rückgabe von Anteilen vorrübergehend komplett untersagt.

Haben die Fondsgesellschaften nun die freie Auswahl zwischen allen beschriebenen Instrumenten? Nicht ganz. Zum einen bestehen gewisse Beschränkungen, was die Auswahl betrifft. Zum anderen hat die ESMA eine Liste mit Empfehlungen herausgegeben, welche Instrumente sie für welche Art von Fonds für geeignet hält. Die Kapitalverwaltungsgesellschaften werden sich – nicht zuletzt mit Blick auf die Prüfung – genau überlegen müssen, ob und wenn ja, mit welcher Begründung sie von diesen Empfehlungen abweichen wollen.

3. Wen betrifft es?

Unmittelbar betroffen von der neuen Richtlinie sind die Kapitalverwaltungsgesellschaften mit ihrer Pflicht zur Auswahl von LMT-Maßnahmen und deren Aufnahme in die Prospekte. Außerdem müssen Schwellenwertsysteme konzipiert werden, die die Auslösung von Maßnahmen steuern und diese an Liquiditätskennzahlen bindet. Schließlich müssen externe Schnittstellen angepasst werden, um aktivierte Maßnahmen zu kommunizieren.

Daraus ergibt sich Handlungsbedarf für die Asset Manager der Fonds, die ihr Liquiditätsmanagement überdenken müssen: Sollen LMT gezielt eingesetzt werden, um Liquidität zu steuern, oder sollen sie, nicht zuletzt mit Blick auf die möglicherweise äußerst negative Außenwirkung auf den Vertrieb, aktiv vermieden werden?

Den Anbietern von Fonds gegenüber stehen Investoren, die die Situation aus einem anderen Blickwinkel analysieren müssen: Wollen sie Geld in Fonds investieren, so müssen sie nun bereits bei der Auswahl passender Fonds berücksichtigen, was deren jeweilige LMT-Maßnahmen für den Kauf und insbesondere für die Rückgabe von Anteilen bedeuten. Risikomanagement und Prozesse müssen entsprechend angepasst werden, um zusätzliche Liquiditätsrisiken zu vermeiden.

Bei Banken und anderen Vertriebspartnern muss neben kleineren Anpassungen der Front-End-Systeme vor allem geklärt werden, wie mit dem Thema LMT in der Beratung umgegangen und im Fall der Auslösung kommuniziert werden soll, um Reputationsschäden und Mittelabflüsse zu vermeiden.

Wurde eine Anlageentscheidung getroffen und erreicht eine Depotbank eine entsprechende Order, muss hier zunächst das Order-Management-System in der Lage sein, auf aktive LMT, z.B. Verwässerungsschutzgebühren, zu prüfen. In der Folge müssen Gebühren auch für die Berechnung von Anschaffungskosten, Steuern, etc. sowie in der Buchhaltung korrekt berücksichtigt werden. Gleiches gilt für Rückgabeorders, wobei hier zusätzlich Quoten und die resultierenden Restorders sowie Fristverlängerungen verarbeitet werden müssen.

Falls die Systeme zur Verarbeitung in der Lage sind, müssen darüber hinaus – wie auch bei den Kapitalverwaltungsgesellschaften – Schnittstellen angepasst werden, um die entsprechenden Daten zu empfangen.

Da in der Regel unterschiedliche Fonds in den Depots gehalten werden, müssen auch alle potenziell möglichen Liquiditätsmanagement- Instrumente technisch abgedeckt werden.

Der konkrete Anpassungsbedarf durch die Gesetzesänderung wird sich von Fall zu Fall unterscheiden, etwa durch Besonderheiten der Systemlandschaften und Prozesse, sowie detaillierte Analysen erfordern. Jedoch dürften die Schwierigkeiten, die sich im Rahmen eines Anpassungsprojektes ergeben, jeweils ähnlicher Natur sein.

4. Zeitlicher Ausblick

Ein genauer Umsetzungszeitpunkt in nationales Recht ist sowohl für Deutschland als auch Österreich aktuell nicht absehbar. Marktstandards müssen sich erst etablieren, was First-Movern die Chance bietet, eine aktive Gestaltungsrolle einzunehmen. Spätestens am 16. April 2025 werden die Liquiditätsmanagement-Instrumente, für OGAW und AIF, zu Werkzeugen innerhalb des Investmentfondsuniversums.

Wir bei Nagler & Company arbeiten seit Jahren für Banken, Versicherungen und Kapitalverwaltungsgesellschaften. Unsere Projekterfahrung reicht von der Implementierung regulatorischer Vorschriften über die Optimierung von Datenbanken und Schnittstellen bis hin zur Prozessgestaltung sowie der fachlichen Unterstützung im Bereich des Meldewesens. Aktuell dürfen wir bereits einen Kunden bei der Implementierung von Liquiditätsmanagement-Instrumenten begleiten. Wenn wir Sie bei weiteren Fragen zu diesem oder verwandten Themen unterstützen dürfen, freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme.

Gerne laden wir Sie zu unserem LMT-Online-Event am 10. April 2025 ein. Wir möchten Ihnen dort zunächst einen Überblick über den aktuellen Stand geben, um anschließend in eine offene Diskussion überzugehen.


LMT-Online-Event

10. April 2025, 16:00 Uhr


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