Nagler & Company: Expertise

Agil, Klassisch oder Hybrid? Agile Best Practices Erfahrungen

von Johann Lenz, 3 min. Lesezeit

Unterschiedliche Projekte mit unterschiedlichen Zielsetzungen erfordern in der Praxis eine differenzierte Herangehensweise. So ist trotz der Tatsache, dass der Begriff »agil« mehr oder minder allgegenwärtig ist (agile Prozesse, agile Vorgehensweisen, agile Teams, agile Entscheidungsfindungen, agile Projekte, agile Strukturen …), die Anwendung und Umsetzung von Agilität keineswegs einfach – und auch nicht immer zielführend.

So ist besonders bei strukturellen Veränderungen, wie der Fusion zweier oder mehrerer Geschäftsentitäten, das Datum und der Scope der (zusammengeführten) Zielfunktionalität fix vorgegeben. Das bedeutet, dass am Ende die vordefinierte Funktionalität zur Verfügung stehen muss, man aber versucht ist, den Weg dorthin nach eigenem Ermessen zu gestalten. Das widerspricht zum Teil den Ideen agiler Arbeitsweisen – vor allem der von Scrum, die von einer iterativen Verbesserung pro Sprint ausgeht und am Ende eines Sprints dem Kunden ein lauffähiges Produkt ausliefern möchte. Bei Kanban – um ein anderes Beispiel zu nennen – repräsentiert der Fluss den wichtigsten Punkt des Prozesses. Im Fusions-Projekt gestaltet es sich allerdings schwierig, schnelle, kleine Releases durchzuführen, wenn die produktive Version genau einmal, nämlich zum juristisch relevanten Zeitpunkt der tatsächlichen Vereinigung der Geschäftsentitäten, in vollem Umfang zur Verfügung stehen muss.

Daraus resultiert, dass sich solche Projekte, obwohl sie sich agil nennen, häufig wenig bis gar nicht an das Manifest für Agile Softwareentwicklung1 bzw. an deren Prinzipien2 halten können.

Diese Fehlentwicklung wird unglücklicherweise auch durch die Tatsache gestützt, dass die Bezeichnung »agil« zu einem geflügelten Wort geworden ist, welches einerseits Modernität signalisiert, andererseits aber auch von der unterschwelligen Botschaft von Schnelligkeit und Flexibilität profitiert (laut Duden steht »agil« für »von großer Beweglichkeit zeugend, regsam und wendig«). Derartige Terminologien haben die Tendenz, politisch opportun angewendet zu werden, ohne das dahinterstehende Konzept konsequent umzusetzen.

Wird nun eine konsequente Anwendung der erforderlichen Regeln nicht durchgeführt (sei es aufgrund von eingangs erwähnten strukturellen Gegebenheiten, oder aber auch aus sonstigen Motivationen resultierend), so läuft man als Organisation Gefahr, sich zwar »agil« auf die Fahnen geschrieben zu haben, aber die Vorteile des agilen Vorgehens nicht nutzen zu können, was im Worst-Case-Szenario zum Scheitern des Projektes führt.

Um sich Klarheit über das anzuwendende agile Framework zu verschaffen, hilft häufig die Anwendung einer Erweiterung der Stacey-Matrix – diese stellt die Komplexität der Anforderungen und die Klarheit über die angestrebte Lösung gegenüber:

Die Matrix unterstützt bei der Beurteilung ob bzw. welche agilen Methoden sinnvoll angewendet werden können:

Einfach – hier sind keine agilen Methoden notwendig. Es herrscht Klarheit über die Probleme und deren angestrebte Lösungen.

Kompliziert – hier macht es Sinn, durch die Anwendung von Kanban die zu bearbeitenden Aufgaben zu analysieren und in einen Workflow einzubinden.

Komplex – in diesem Umfeld muss über mehrere Iterationen im Trial-and-Error Verfahren ein sinnvolles Muster herausgearbeitet werden. Methoden wie Scrum, OKR, oder auch das Spotify Modell helfen in solchen Situationen, die Komplexität zu reduzieren und Klarheit zu schaffen. Chaos – dies ist der Bereich, der am unübersichtlichsten ist, der aber auch den größten Grad an Innovation und Kreativität erlaubt. Lean Startup und Design Thinking sind hier Werkzeuge, mit deren Hilfe sich in kurzer Zeit Prototypen erstellen lassen, welche wiederum als Ausgangspunkt für Lösungsentwicklungen herangezogen werden können.

Selten ist es in der Praxis allerdings so, dass man ein Projekt vollständig einem der obigen Bereiche zuordnen kann. Projekte sind häufig eine hochkomplexe Ansammlung von Teilbereichen, welche in unterschiedlichen Bereichen der Matrix angesiedelt sein können.

Hier kann auch die Notwendigkeit entstehen, eine gute Mischung aus klassisch und agil anwenden zu können oder zwei agile Methoden zu kombinieren. Genau an dieser Stelle setzt das hybride Projektmanagement an: es ist eine Kombination aus agilen und traditionellen oder auch aus zwei agilen Projektmanagement-Methoden, bspw. Scrum und Kanban.

Folgende agile Ansätze können im hybriden Projektmanagement mit klassischen Vorgehensweisen kombiniert werden:

  • Agile Verfahren können in ausgewählten Phasen des klassischen Projekts, bspw. bei der Umsetzungs-/Realisierungsphase, angewendet werden
  • Klassische Projekte lassen sich durch Standup Meetings agil gestalten, um den Fortschritt transparenter zu machen
  • Anpassung der Führungsstruktur Entlastung des Managements durch selbstorganisierte Projektteams

Hybride Ansätze lassen sich für Projekte einsetzen, die sich in unterschiedliche, planbare Teilprojekte zerlegen lassen.

Kombinationen können ein vielversprechender Ansatz sein, um das Beste aus den jeweiligen Methoden herauszuholen – auch wenn dies eigentlich der puristischen Anwendung des oben genannten Manifests widerspricht. Aber aus praxisorientierten Gründen ist es durchaus sinnvoll, die jeweils besten Eigenschaften mehrerer Methoden »herauszupicken «, sie kreativ zu kombinieren und damit exzellente Projektergebnisse zu erzielen.

Eine der gängigsten Kombinationsmöglichkeiten aus klassischem und agilem Projektmanagement soll hier beispielhaft veranschaulicht werden.

Das Water-Scrum-Fall-Modell

In diesem Beispiel wird die klassische Wasserfall-Methode mit der agilen Scrum-Methode als Option für hybrides Projektmanagement dargestellt.

Ausgangspunkt für die Kombination ist, dass sich ein Projekt in zwei Teile unterteilen lässt, zum einen in den Anforderungs- und zum anderen in den Entwicklungsteil. Wenn Anforderungen und Abläufe in der Projektplanungsphase präzise beschrieben werden können oder der Rahmen für das Projekt feststeht, lässt sich für diesen Teil die Wasserfallmethode anwenden. Der komplexe Teil eines Projektes, sprich die Entwicklung, lässt sich mit der agilen Methode Scrum umsetzen.

Scrum ergänzt und verbessert somit die klassische Wasserfallmethode durch

  • mehr Transparenz über das Scrum Board,welches den Projektstand visualisiert
  • kurze Standup-Meetings, die den kontinuierlichen Austausch im gesamten Team fördern
  • Entlastung des Auftraggebers durch Selbststeuerung des Teams und deren Aufgaben bzw. Zuweisen von Anforderungen und Bearbeiten der Tasks
  • Erstellen eines funktionsfähigen Zwischenprodukts, um den Kunden regelmäßig/zeitnah einzubinden
  • Sprint-Review und Lessons learned, Probleme werden schneller erkannt und behoben bzw. nicht mehr wiederholt

Eine Kombination aus klassischem und agilem Projektmanagement kann ein Erfolgsfaktor sein, was jedoch von dem Zusammenspiel von Stakeholder und Projektteam abhängt. Ist das obere Management bereit, das Steuern des Projektes und die Verantwortung auf alle Projektinvolvierten gleichermaßen aufzuteilen und Prozesse durch-sichtiger zu gestalten, stellt hybrides Projektmanagement eine gute Alternative zum klassischen Ansatz dar.

Gleichzeitig ist der Erfolg einer agilen Vorgehensweise sehr stark durch die Akzeptanz des Teams bzw. auch von der Mitsprache des Teams bei der Auswahl der Methode / des Vorgehens getrieben – hier ist also eine möglichst frühe Einbindung aller Beteiligten wesentlich.

Nagler & Company hat zahlreiche Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt und als »Agile Best Practice« konsolidiert. Dabei wird im Zuge eines Workshops die aktuelle Situation eines Projektes analysiert, Fallstricke werden aufgezeigt und gemeinsam eine Lösung zur Vermeidung derselben erarbeitet.

Change is constant – wir unterstützen Sie dabei.

Johann Lenz

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